der kreis ist nicht rund - die zeit wartet nicht Das Leben erscheint uns als ewiger Kreislauf, doch es ist unvollkommen. Wir werden es nicht schaffen, die Enden dieses Kreises zu schließen, weil sie in der Zeit auseinanderklaffen. Der Kreis wird zu einer Spirale in der Zeit, und nur die Projektion auf die platonische Ideenebene ergibt einen Kreis. Zu glauben, der Kreis ließe sich in der Wirklichkeit schließen, ist der fundamentale Irrtum von Philosophen und Ideologen seit Jahrtausenden. Der Punkt, an dem das Leben verstanden, besiegt, ein für alle Mal geregelt ist, existiert nur als platonische Idee. In der Wirklichkeit schreitet die Zeit voran, altern wir, leiden wir, unterliegen wir Inflation und Zinsen, greift die Natur als Katastrophe in die Zivilisation ein. Nie wird die Zeit zum Stillstand und die Wirklichkeit zur Deckung mit der platonischen Ideenwelt gebracht. Aber genau dies ist die Verheißung aller Religionen: Das Ende der Zeit, Vollkommenheit, Unendlichkeit der Existenz. Christentum und Islam verpflanzen sie in den Himmel, auf ein "Nach-dem-Tod". Hinduismus und Buddhismus sind noch pessimistischer und verlegen das Erreichen dieses Endes nicht hinter den Tod eines Wesens, sondern hinter den Tod einer äonenlangen Abfolge von Wesen. Wieviel härter noch ist dies! Mit den Tod allein wird noch nichts gewonnen und Selbstmord verbietet sich. Die jeweilige Existenz will also durchstanden sein. Die Spiralförmigkeit des Lebens zwingt uns tagtäglich, seinen rekursiven Charakters endlich zur Kenntnis zu nehmen. Alles, was wir in einem bestimmten Augenblick tun, verändert unmittelbar die Gesamtheit unserer Lebenswelt. Die Antwort auf eine bestimmte Lebenswelt ist immer rückwärts gewandt, aber nie der gegenwärtigen adäquat. Wir reagieren auf das Gestern, glauben aber, damit für das Heute gewappnet zu sein, welches mitnichten das Gestern ist, sondern durch unsere Reaktion entscheidend mit verändert wurde. Das die Rekursivität des Seins. Können wir ausbrechen? Etwa indem wir gar nichts tun? Auch jede Nicht-Handlung ist eine Reaktion. Die Zeit ersticken? Dazu brauchen wir Macht, aber es kann nur eine Blase in der Zeit sein, die anschließend um so heftiger platzt. Eine Diktatur - auch gegen uns selbst. Die Prinzipien des Seins entdecken, um sich auf die Meta-Ebene, also außerhalb der normalen Zeit zu katapultieren? Vielleicht ist dies Buddha gelungen, wenn wir der Überlieferung Glauben schenken wollen, und einigen anderen im Laufe der Geschichte. Dies bedeutet aber doch, daß Buddha mit seiner Seele nach seiner Erleuchtung nicht mehr der Zeitgebundenheit unseres normalen Lebens unterworfen war. Es hat also eine Leib-Seele-Spaltung stattgefunden, die Seele hat ihre leibliche und damit zeitliche Bedingtheit transzendiert! Das bedeutet aber, daß das Fehlen des Leib-Seele-Dualismus der Normalfall unserer Existenz ist: Die Seele ist im Leib nicht nur verankert, sie ist bis zu einem gewissen Punkt auch untrennbar mit dem Leib verbunden. Solange Leib und Seele verwoben sind, beschädigen wir die Seele, wen wir den Leib mißachten. Das ist also das große Paradox unserer Existenz, das Koan schlechthin: Der Vogel in der Flasche steht vor uns! Kein logischer Schluß wird diesen finalen Akt der Transzendenz der Seele über den Leib bewirken! |