b. das kapitel vom eigentum
aus: Gunnar Heinsohn/Otto Steiger, „Eigentum, Zins und Geld - ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft“, Rowohlt 1996

Zusammenfassung: Eigentum als Gegenposition zum Besitz

DieUntersuchung der Entstehung von Eigentum, das in Stammes- und Feudalgesellschaft fehlt, obliegt der Historiographie. Die Analyse der Wirkungen von Eigentum liefert hingen der Wirtschaftstheorie ihre Aufgabe. Da die Eigentumsentstehung in der okzidentalen Welt bisher für unerklärbar gehalten wird, war ihre historiographische und archäologische Rekonstruktion in unserer Grundlegung der Wirtschaftstheorie in aller Kürze zu resümieren. Selbstverständlich jedoch ist die historische Entstehung des Eigentums für seine wirtschaftstheoretische Auslotung vollkommen bedeutungslos. Durch den Aufweis dieser strikten Trennung erst wird reine Theorie der Wirtschaft möglich. Es ist ja gerade die Vermischung einer selbsterfundenen Wirtschaftsevolution vom einfachsten Tauscher zur elektronischen Überweisung mit einem wissenschaftlichen Jargon, der Klassik und Neoklassik an einer angemessenen Theorie hindert.

Eigentum hat es - anders als diese Schulen glauben - nicht von Beginn der Menschheitsgeschichte an gegeben. Nach seiner Entstehung hat die ethnologische und historische Forschung daher ebenso intensiv gesucht wie nach einem vermeintlich geldgebärenden Äquivalententausch. Gefunden hat sie in Stammesgesellschaft und Feudalismus jedoch nur Besitz, das heisst die durch Sitte oder Herrschaft angewiesene Nutzung materieller Güter.

Für die okzidentale Welt vermag die herrschende Forschung erst in den Stadtstaaten der Antike Eigentum - in ihrer Terminologie als Privateigentum bezeichnet - eindeutig zu verorten. Wie es zu diesem Eigentum gekommen ist, gilt ihr als das grösste unlösbare Problem in der Entwicklung des Abendlandes. Dass am Beginn der europäischen Neuzeit (spätes 14. Jahrhundert) und dann wieder am Ende des sogenannten Realsozialismus (Spätes 20. Jahrhundert) Eigentum dann entsteht, wenn Feudalgesellschaften von unten revolutioniert oder von oben reformiert werden, wird durchaus gcsclien. Gleichwohl sorgt die Verwechslung von Besitz Lind Eigentum immer wieder dafür, dass diese für die Entstehung des Wirtschaftens so entscheidenden Epochenbrüche niernals wirklich deutlich ins Blickfeld geraten.

Dass die Eigentumsentstchung irn Altertum im Prinzip ähnlich Verlaufen sein müsste wie in der Neuzeit, haben die besten Köpfe immerhin geahnt, wenn sie sich den mykenischen Priesterfeudalisinus als Ausgangsstufe für das Eigentum der Stadtstaaten wünschten. Diesem höchst verständlichen Begehren moderner Forscher kommt die bereits in der Antike gepflegte Geschichtsschreibung voll und ganz entgegen. Für sie war niemals zweifelhaft, dass mit den privateigentumsgeprägten Stadtstaaten feudale Lind nicht etwa Stammesgesellschaften überwunden wurden. Dass direkt nach der feudalistischen Burgenherrschaft der mykenischen Zeit das „Privateigentum mit dem Geld“ (Lukrez) kam, belegt der archäologische Befund ebenfalls. Die polis liegt dort, wo beide Epochen auftreten, stratigraphisch direkt auf mykenischen Schichten.

Auch die antiken Mythen über einen Theseus (Athen) oder einen Romulus (Rom) lassen keinen Zweifel daran, dass es antifeudale Revolutionen gewesen sind, die zum Eigentum geführt haben.

Die Ahnungen von der Entstehung der polis aus feudaler Despotie sind lediglich deshalb nicht weiter verfolgt worden, weil durch wissenschaftsfremde Datierungen heutiger Gelehrter zwischen mykenischer Zeit und privateigentumsbestimmten Stadtstaaten Jahrhunderte der Dunkelheit geschoben wurden, in denen dann in der Tat keine Entwicklung mehr erkennbar ist. Verlässt man sich im Gegensatz zur herrschenden Lehre von neuem auf die antiken Historiker und die archäologische Evidenz, dann ergibt sich ohne Schwierigkeit, dass die Aufteilung feudaler Güter durch Revolutionäre fflie legendäre Roina quadrata des Romulus~ das Grundeigentum in die Welt bringt. Sie wollten durch diese „Bodenreform“ ihre priesterfeudalistischen Herren loswerden. Dieses Ziel erreichten diese Revolutionäre. Dadurch brachten sie zugleich aber eine über die blosse Beherrschung von Gütern hinausgehende Bewirtschaftung von Ressourcen, das Wirtschaften also, in die Welt. Nichts spricht dafür, dass dieses ihr ausdrückliches Ziel gewesen wäre.

Obwohl die moderne Forschung daran gescheitert ist, die Eigentumsentstehung aufzuhellen, hat sie doch immerhin gesehen, dass in der polis mit ihrem Eigentum umgehend zinsbelastete Kontrakte über Geld das eigentlich auffällige, ja überwältigende Element des Wirtschaftens werden. Mehr als dieses gemeinsame Auftreten - als bloss ernpirische Korrclation - von Eigentum mit Kredit- und Kaufkontrakten hat die Forschung allerdings nicht auszurnachen vermocht. Wie das eine - Eigentum - mit dem anderen - ökonomische Kontrakte - zusammenhängen könnte, gilt nun nicht nur für die Wirtschaftsgeschichtc, sondern auch für die Wirtschaftstheorie als schmerzliches Rätsel.

Die wirtschaftsgebärende Bedeutung des Eigentums bleibt deshalb unerkannt, weil die klassisch und neoklassisch geprägte ökonomische Forschung auf Ressourcen und ihre Gütergestalt fixiert ist. Die Schaffung von Eigentum ist jedoch kein Schritt, der an den Gütern etwas verändert. Aus einem Ressourcenblickwinkel gibt die Eigentumsentstehung deshalb nichts Besonderes her. Die Schaffung des Grundeigentums ändert an seiner physischen Beschaffenheit als Ressource, die es in seiner Besitzseite bleibt, nichts. Schaut man mit einem gütermässigen Blick auf diese Entwicklung, dann erwächst sie in der Tat aus Nichts. Sie fügt materiell dein Gegebenen nichts hinzu. Sie ist ein Rechtstitel setzender Akt. Dessen ökonomische Potenzen bleiben unsichtbar, solange man sie in der Gütersphäre entdecken will. in dieser hat sich vorerst keine Veränderung ergeben.

Da auch Eigentum selbstredend gütermässig genutzt werden kann, also eine Besitzseite aufweist, darf die Verwirrung einer guternutzungsorientierten Wirtschaftstheorie nicht überraschen. Den Durchbruch zum Wirtschaften schafft das Eigentum aber nicht aufgrund seiner Güterseite, also einer durch das Sachenrecht geregelten physischen Sphäre. Das Wirtschaften entsteht vielmehr aus der absoluten Dispositionsfreiheit des Eigentümers, die zwar kein Recht auf Missbrauch einschliesst, ihn aber nicht auf Besitz und die damit verbundenen materiellen Nutzungsrechte beschränkt.

Diese Freiheit hat ihre wichtigsten ökonomischen Bestandteile in den Rechten auf Belasten, Verpfänden und Verkaufen von Eigentum. Alle diese Operationen sind dadurch definiert, dass aufgrund der Immaterialität der Eigentumsrechte bei der Operation rnit ihnen keinerlei gütermässige bzw. physische Aktivitäten erfolgen. Für diese eigentlich ökonomische Sphäre gilt nicht das Sachenrecht, das für die güternutzende Sphäre des Besitzes zuständig ist, sondern das Schuldrecht. An der Verpfändung von Eigentum als Kreditsicherheit und an seiner Belastung für Geldernission wird unmittelbar deutlich, dass hier nicht Güter bewegt oder genutzt werden, vor allen Dingen nicht - wie die Neoklassik glaubt - in ei - nem Kreditvertrag. Das zeigt sich besonders daran, dass auch Forderungen des Schuldners gegenüber Dritten selbstrcdend als Kreditsicherheit fungieren können. Dabei bleiben dem Verpfänder aber die Erträge aus seinen Forderungen. Lediglich wenn ein Nutzungspfand gesondert vereinbart wird, gehen die Erträge aus dem Pfand an den Gläubiger über, müssen aber mit den Verpflichtungen des Schuldners (Tilgung und Zins) verrechnet werden. Überdies kann sich der Gläubiger eines Unternehmer-Schuldners im voraus den Erlös zukünftigen Warenverkaufs auf dem Wege des sogenannten verlängerten Eigentumsvorbehalts abtreten lassen.

Lediglich bei Inanspruchnahme des Verpfändeten durch Vollstreckung erfährt Eigentum eine Statusveränderung, die wiederum nichts mit irgendeiner physischen Inanspruchnahme zu tun hat. Der immaterielle Charakter der Eigentumsverpfändung verweist darauf, dass es beim Kreditieren niemals um zu nutzende neoklassische Güter, sondern um Geld geht, wobei dieses keine Ressourcen in einem intertemporalen Tausch einkleidet, sondern Anrechte auf Eigentum überträgt.

Der für die Erlangung des Geldes zur Auflösung der Kreditkontrakte notwendige Verkauf von Gütern hat ebenfalls nichts mit einem geldvermittelten atemporalen Gütertausch zu tun, Er erzwingt vielmehr eine Produktion von Waren (nicht Gütern). Diese ergeben sich aber nicht aus der Nutzung zeitweilig überlassener Ressourcen. Weil Eigentum verpfändet wurde, lassen sich mit im Kredit überlassenem Geld Ressourcen aneignen und in mehr Eigentum verwandeln. Es muss also nicht vorab Geld gespart werden, damit nachher Produktion in Gang kommen kann. Eigentum muss vorab geschaffen sein, damit es nachher für die Geldschaffung belastet und für den Kredit verpfändet werden kann.

A. Das Kapitel vom Tauschparadigma (Zusammenfassung)
C. Das Kapitel vom Zins (Zusammenfassung)
D. Das Kapitel vom Geld (Zusammenfassung)
E. Das Kapitel vom Markt (Zusammenfassung)
F. Das Kapitel von der Akkumulation (Zusammenfassung)
G. Das Kapitel von der Krise (Zusammenfassung)
H. Das Kapitel von der Wirtschaftsverfassung (Zusammenfassung)

Bemerkung: Die Online-Stellung der Zusammenfassungen dient einzig und allein dem Zweck, die Theorie von Heinsohn und Steiger auch einem Nicht-Fachpublikum bekannt zu machen. Sollten Autoren oder Verlag darin eine nicht hinnehmbare Verletzung ihrer Urheberrechte sehen und eine Löschung wünschen, mögen sie dies dem Webmaster (niels.boeing@km21.org) mitteilen.

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