a. das kapitel vom tauschparadigma
aus: Gunnar Heinsohn/Otto Steiger, „Eigentum, Zins und Geld - ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft“, Rowohlt 1996

Zusammenfassung: Geld-, Zins- und Eigentumsprobleme der neoklassischen Wirtschaftslehre

Ist eine Eigentumswirtschaft einmal etabliert, dann gibt es Waren mit Geldpreisen. Deshalb könnte man - wenn man es denn wollte - solche Waren direkt in einem sogenannten Äquivalententausch gegeneinander handeln. Die Wirtschaftstheorie hat sich dazu entschlossen, in diesem bloß gedanklich vorstellbaren Vorgang, den sie als Gütertausch bezeichnet, das Wesen der gesamten Wirtschaft zu verorten. Als Agenten denkt sie an einen vorteilsuchenden, rational tauschenden Menschen - den sogenannten homo oeconomicus. Ihre Wirtschaftstheorie ist mithin eine Theorie über den Menschen ganz allgemein. Dadurch glaubt sie, den Anforderungen an eine universelle Theorie zu entsprechen - an eine Theorie also, die wie eine Naturwissenschaft überall und jederzeit Gültigkeit haben soll.

Die von der herrschenden Wirtschaftstheorie angeregte Forschung hatte nach dieser tauschorientierten Vorgabe nur noch danach Ausschau zu halten, wie und warum menschliche Tauscher von äquivalenten Gütern dazu übergangen sind, nicht mehr Gut gegen Gut, sondern Güter gegen Geld zu tauschen. Zu diesem Schritt habe der homo oeconomicus aus dem Interesse der Reduzierung der Transaktionskosten des Gütertauschs gefunden. Nach der Existenz und Wirkung dieses Motivs der Reduzierung von Transaktionskosten hatte die Forschung nun ebenfalls zu fahnden.

Zur Verblüffung der neoklassisch inspirierten Gelehrten ist nach einer mehr als hundertjährigen Suche in Stammes- und Feudalgesellschaften ein sogenannter vormonetärer Äquivalententausch in der Menschheitsgeschichte nicht belegbar. Er erweist sich vielmehr als ein Stück wirtschaftswissenschaftlicher Folklore. Da es den sogenannten Äquivalententausch schon geldlos nicht gibt, müssen naturgemäss auch Versuche fehlen, ihn anschliessend zu monetarisieren. Ganz entsprechend hat sich eine Vorstellung von Transaktionskosten, die den Menschen schon der Stammes- und Feudalgescllscliaft bei der Bewegung von Gütern belastet hätten, nicht nachweisen lassen. Das gilt dann selbstverständlich auch für ein ewiges Interesse des Menschen, Kosten zu reduzieren.

Diese massive Falsifizierung der tauschtheoretischen Grundannahme über einen homo oeconomicus hat jedoch nur kurzfristig und eher am Rande Verunsicherungen hervorgerufen. Im Hauptstrom der neoklassischen Gedankenführung sind die alarmierenden Forschungsergebnisse schlicht verdrängt worden. Regelmässige Mahnungen der Fachleute an die Wirtschaftstheoretiker, ihre Annahmen am empirischen Befund zu korrigieren, werden in den Wind geschlagen - selbst dann, wenn sie von insgesamt treu zur Neoklassik stehenden Gelehrten kommen. jeder Student der Wirtschaftswissenschaften beginnt denn auch weiterhin mit dem vorteilsuchenden Tausch eines homo oeconomicus.

Wie sie in Geldoperationen lediglich eine Erleichterung des nichtgeldlich vorgestellten Tausches und damit etwas für die Wirtschaft nicht Wesentliches sieht, so betrachtet die Neoklassik auch den Zins als ein universelles und vormonetäres Phänomen, das imserer Gattung von Anfang an und in allen Gesellschaftsstrukturen zukomme. Er resultiere aus der sogenannten Gegenwartsvorliebe. Diese Vorliebe nun müsse ein Schuldner mit Zins in Form einer höheren Gütermenge ausgleichen. Das ist aber nur unter der Annahme möglich, dass dem geliehenen Gut qua Investition ein Güterertrag - der sogenannte Eigenzins -- automatisch innewohnt.

Da diese Eigenzinse für jedes Gut unterschiedlich hoch ausfallen, kann es nur unter der unwahrscheinlichen Annahme unveränderlicher relativer Preise aller Güter im Zeitablauf zu einem einheitlichen Realzins kommen, der dem einheitlichen Geldzins entspricht. In dieser freimütig eingeräumten Unwahrscheinlichkeit erschöpft sich die Schwäche der Zinserklärung keineswegs. Vor allem wird der Zins nicht als Erzwinger eines Mehrertrags angesehen - dafür müsste er eine eigenständige, nicht aus Gegenwartsvorliebe stammende Herkunft haben. Vielmehr wird ein allemal anfallender - von irgendwoher kommender - Mehrertrag vorausgesetzt, der die Forderung und Leistung eines Zinses ermöglicht. Niemals ist es gelungen, dieses -irgendwohen, des Mehrertrags überzeugend zu konkretisieren. Das räumt die Neoklassik durchaus ein, so dass sie ohne plausible Erklärung für den Güterzins dasteht. Ihre Schwäche bestätigt sich dann bei der Behandlung des Zinses auf Geld. Der werde nicht anders realisiert als der mysteriöse Eigenzins auf Güter - nämlich aus einem Zusammenspiel von Konsumverzicht des Gutes Geld und einer intertemporalen Produktivität des investierten Gutes Geld. Dabei taucht von neuem das Problem der unterschiedlichen Eigenzinssätze der Güter auf, die nur durch die Hilfskonstruktion einer Änderung ihrer relativen Preise in einen einheitlichen Geldzinssatz transformiert werden können. Da je nach Wahl des für Geld herangezogenen Gutes wiederum unterschiedliche Güterzinse anfallen, misslingt die Lösung des Problems; die auch von der Neoklassik gesehene Einheitlichkeit des Geldzinses bleibt unerklärbar.

Das dem monetären Zins zugrundeliegende Gelddarlehen kommt nicht anders als das Geld selbst zustande. So wie Geld zwischen den Tausch von Gütern geschaltet wird, um die Transaktionskosten des Direkttausches zu reduzieren, dient das Gelddarlehen der Reduzierung der Transaktionskosten beim direkten intertemporalen Tausch in Form von Sachdarlehen. Die Institutionen der Geschäftshank und der Zentralbank werden ebenfalls aus dem Kalkül der Transaktionskostenreduktion hergeleitet.

Wenn es aber die zu reduzierenden Transaktionskosten nicht sind, die zu Geld, Geldzins und Banken führen, und diese monetären Phänomene gleichwohl existieren, dann muss die Frage nach ihrem Grund gänzlich neu gestellt werden. Die herrschende Wirtschaftslehre hat lediglich eine Folge von einmal etablierten Geldpreisen - nämlich die Möglichkeit, damit überhaupt erst die Gleichwertigkeit zweier Waren ausdrücken zu können - als Idee vom Äquivalententausch auf die gesamte Menschheitsgeschichte zurückprojiziert. Nachdem dort eine Kalkulation von Güteräquivalenten aber nicht aufzufinden ist, stellt sich die Frage, ob die Wirtschaftstheorie tatsächlich eine Theorie des Menschen als solcher bleiben kann oder nicht doch die Theorie einer ganz besonderen Gesellschaftsstruktur sein muss. Die Suche nach dieser Struktur ist es nun, die uns vom Tausch weg- und zum Eigentum hinführen muss.

Der Neoklassik. ist der Terminus „Eigentum“ keineswegs fremd. Als property rights, als Regelsystem für Privateigentum, Vertragsfreiheit und Haftung beschäftigt das Wort Eigentum eine ganze Reihe von Spezialisten der sogenannten Institutionenökonornik. Betrachtet wird aus ihrem Blickwinkel allerdings lediglich der Ordnungsrahrnen für ein individuelles Recht auf Tausch als nicht gratis zugestandenes Verfügungsrecht über Sachgüter und Leistungen. Unerkannt bleiben deshalb die immateriellen Eigenschaften des Eigentums, die dem Wirtschaften nicht etwa nur eine wichtige Rahmenbedingung liefern, sondern es überhaupt erst auf den Weg Pingen. Was der neoklassischen Theorie am Eigentum wesentlich erscheint, ist diesem nämlich gerade nicht zugehörig. Sie definiert Rechte über die physische Nutzung von Gütern als Eigentum. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um Besitzrechte, die es in der Tat auch dort - also in Stamm und Feudalismus - gibt, wo die Fachforschung eine Geldentstehung zur Erleichterung eines Tausches nicht finden kann. Besitzrechte sind durchaus solche des Menschen schlechthin, und doch Pingen sie ihn nicht zu den von der Theorie postulierten Tauschoperationen. Besitzrechte regeln Macht und Herrschaft über Ressourcen. Erst in Beziehung zum Eigentum geraten Besitzrechte in die Mechanismen des Wirtschaftens.

Die ökonomische Qualität des Eigentums besteht in seiner Präinie, die sich in seiner Belastbarkeit in der Geldschaffung und seiner Verpfändbarkeit durch einen Schuldner manifestiert. In diesen beiden freien Dispositionen, die dem bloß physischen Besitz mangeln, geht es gerade nicht darum, Güterbewegungen zu erleichtern oder überhaupt an Gütern irgendeine Veränderung vorzunehmen. Bei der Schaffung von Geld und seiner Verleihung im Kreditkontrakt werden lediglich die Eigentumsrechte von Gläubigern und Schuldnern durch Aufgabe ihrer Eigentumsprämien beschränkt, während die aus der Besitzseite des Eigentums erwachsenden Nurzungsrechte, auf deren angeblicher Verleihung die neoklassische Zinstheorie ruht, gerade nicht übertragen werden. Im Kredit wird Eigentumsprämie aufgegeben, der Besitzertrag aber gerade nicht. Es sind also entschieden immaterielle Rechtstitel an Eigentum und nicht etwa die Beschaffenheiten von Gütern, die jemand in Produktion, Distribution und Konsumtion nutzen könnte, aus denen das Wirtschaften vom Eigentum hervorgePacht wird.

Für Kreditsicherheit und Gelddeckung haftendes Eigentum soll überhaupt nicht bewegt und schon gar nicht vom Schuldner physisch genutzt werden. Eine Veränderung in der Eigentumsposition kann lediglich dann eintreten, wenn kreditvertragliche Pflichten unerfüllt bleiben und über den Weg der Vollstreckung Eigentum an andere Eigentümer, Gläubiger also, gelangt oder ganz verlorengeht. Die Übertragung von Eigentumstiteln bei der Vollstreckung, die auch zu einem Besitzwechsel führt, kommt mithin nicht zustande, weil da etwas getauscht werden will, sondern weil abgetreten werden muss.

Obwohl die neoklassische Theorie inzwischen ihren 125. Geburtstag feiern kann, hat sie erst kürzlich damit begonnen, sich für die ökonomische Bedeutung von Kreditsicherheiten ein wenig zu interessieren. Wie den Terminus Eigentum, so kennt sie durchaus auch den Terminus Sicherheiten. Sie sieht in ihnen vor allem ein Instrument zur Sicherstellung eines wirtschaftlichen Umgangs init Ressourcen und zur Abwehr von Betrugsversuchen des Schuldners gegenüber seinem Gläubiger. Damit misslingt wiederum die Erkenntnis der konstitutiven Rolle der Eigentumshaftung für das HervorPingen von Geld, das aus dem Belasten von Eigentum resultiert und zugleich das Verpfänden von Eigentum verlangt.

Die Unerklärbarkeit des Geldes aus dem Tausch nötigt nun die Autoren dieses Buches dazu, dieser alternativen Erklärung des Geldes nachzugehen. In den neoklassischen Blick kommen aber lediglich manipulative und betrügerische Interessen von Schuldnern, denen Gläubiger mit Sicherheiten zu begegnen versuchen. Diesem nachgeschobenen und insgesamt beiläufigen Interesse der Neoklassik für Sicherheiten entspricht mithin die absolute Randständigkeit, die sie ihnen für ihre Wirtschaftstheorie einräumt.

B. Das Kapitel vom Eigentum (Zusammenfassung)
C. Das Kapitel vom Zins (Zusammenfassung)
D. Das Kapitel vom Geld (Zusammenfassung)
E. Das Kapitel vom Markt (Zusammenfassung)
F. Das Kapitel von der Akkumulation (Zusammenfassung)
G. Das Kapitel von der Krise (Zusammenfassung)
H. Das Kapitel von der Wirtschaftsverfassung (Zusammenfassung)

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