morgens auf flores...

Miloš Boniek

Langsam hebt sich der gewaltige Vulkankegel am Horizont aus der Morgendämmerung ab, Die Stadt ist erwacht, der kleine Busplatz mit Reisenden gefüllt, die mit Minibussen und Lastern aus den umliegenden Dörfern gekommen sind und sich in enge, japanische Busse zwängen. Zu spät, im schmalen Spalt des Mittelganges bleibt für mich nur ein Höckerchen, das ich mir mit einem Mann teilen muß.

Mit dem Rücken zur Fahrtrichtung kauere ich dort, eingekeilt zwischen Sarongs und Hosen und betreibe Zehenstudien. Vor mir große, runzlige, rissige Zehen, verledert in jahrzehntelanger Schinderei, ganz gleich, ob Mann, ob Frau. Kein Blick aus dem Bus, in all die Serpentinen, die Berglandschaft, die mit grünem Samt überzogen scheint. "Plastik, Plastik" schallt es nach einer Viertelstunde durch den Bus, wie jedes Mal. Die raschelnde Plastiktüte passiert auch mich, verschwindet in den hinteren Reihen, gefolgt von einem schrecklichen, klagenden Würgen, der Trans-Flores-Highway hat mich wieder. Der Busfahrer legt eine Country-Kassette ein, hier in einem hinteren Winkel des malaiischen Archipels ertrage ich auch dies. Nur nicht nach oben schauen, sonst wird mir schlecht, unsere Mägen schlenkern im Serpentinentakt. In einem der wenigen Dörfer steigen Leute aus, nehmen Reissäcke, Kartons und Bündel vom Dach des Busses entgegen. In der ersten Reihe wird ein Platz frei, einige Floresianer lächeln und bedeuten mir, mich dorthin zu setzen, nachdem sie sich amüsiert haben, wie ich meine Beine im Mittelgang zusammengefaltet habe. Endlich freie Sicht, doch was sehe ich, eine Frau vor mir auf dem Beifahrersitz kotzt, daß es ein erbarmt, legt erschöpft den Kopf auf die Schulter ihres Mannes, kotzt wieder, dann erbricht sich ihr Söhnchen, der Busfahrer reißt laufend Plastiktüten ab, reicht sie nach hinten in den Bus. Wer nicht würgt, raucht Kretek-Zigaretten und betrachtet die tiefen tropischen Täler, keine Ebene weit und breit, der Bus windet sich gemächlich über die Insel. Irgendwie sind dann drei Stunden um. Wir halten vor einem Warung, in dem köstliches Padang Food angeboten wird. Mit Reis, Garnelen und Spinat lassen sich die Passagiere an den Tischen nieder. Selbst die Frau vom Beifahrersitz schiebt sich eine Garnele nach der anderen rein, unglaublich, aber die Garnelen sind wirklich hervorragend, auch ich kann nicht widerstehen. Bald sitzen wir wieder im Bus, die Frau auf dem Beifahrersitz wird ihre Garnelen los, statt Country-Musik jetzt indonesischer Raggamuffin, der mich einlullt, bis kurz vor dem Ziel der Motor streikt. Alle müssen aussteigen, einige pinkeln, andere stellen sich an den Straßenrand und erbrechen sich ins tropische Gebüsch, eine ganz selbstverständliche Handlung, Trans-Flores-Highway eben. Dann schieben wir alle den Bus über die Hügelkuppe, der Motor springt an und wir wieder in den Bus. Nur noch zwanzig Minuten.

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