die tyrannei des mammons
Kai Mommsen, Berlin, 2005

Deutschland und auch fast alle übrigen Staaten gehören den Banken. Es ist Zeit, dass die Bevölkerung wieder die Macht über das Lebensblut, das Geld, zurückerhält.
Das Zinseszinsproblem
Die Geldschöpfung
Inflation ist keine Lösung
Ein dritter Weg

In den Artikeln von Niels Boeing und Robert von Heusinger sowie von Franz Schandl geht es um das Geld. Das ist kein Wunder, denn das Geld ist das Lebensblut der Gesellschaft, und mehr noch: man kann sagen, dass es sie und damit uns regiert. Gleichzeitig ist die Tätigkeit der Banken und der Finanzmärkte von einem Schleier umgeben. Ehrfürchtige Scheu empfinden wir vor den rätselhaften Vorgängen innerhalb der heute mächtigsten Institutionen, den Banken, andererseits haben wir jeden Tag mit Geld zu tun und wissen um unseren Kontostand. Dies grenzt an einen psychotischen Zustand.

Dabei hören wir immer wieder, dass wir das Geld arbeiten lassen sollen, dass es sich quasi von selbst vermehren kann. Das ist die größte Illusion der Moderne und des Kapitalismus. Die Geldströme und die Buchgeldmenge steigen unaufhörlich. Renditen und Zinseszins, steigende Aktienkurse schaffen jeden Tag neues Geld, heute ist mehr Buchgeld vorhanden, als es Realwerte gibt. Die Zukunft ist damit schon verkauft.

Das Zinseszinsproblem

Betrachtet man einmal nüchtern die Zusammenhänge, erkennt man, dass wir auf einen Geldcrash zusteuern. Die Zinseszinsakkumulation ist eine exponentielle Wachstumsart und strebt mathematisch gesehen ins Unendliche. Auch ein jährliches Wirtschaftwachstum, das alle als Lösung der Probleme anzusehen scheinen, stellt ein exponentielles Wachstum dar. Das bedeutet, dass bei einem Wachstum von 2% sich alle 36 Jahre die Wirtschaftleistung verdoppelt. Damit werden zwangsläufig mehr Ressourcen verbraucht, die Umwelt stärker belastet, die Arbeitskraft stärker ausgebeutet – letztendlich ist dies eine krankhafte Entwicklung, die nur zu weiteren Kriegen und anderen Katastrophen führen wird.

Auch die Entwicklung der Staatsverschuldung weist auf das Geldproblem hin. Die Schulden steigen dramatisch. Allein die Zinszahlungen für den Schuldenberg machen rund ein Viertel des Staatshaushaltes aus. Und diese Geld wird den Kapitaleigentümern bezahlt – überall auf der Welt ist kein Geld für Sozialsysteme mehr vorhanden.

„[...] die Schulden wachsen mehr als 2,5 mal schneller als die Produktivität. Logische Folge davon ist, dass schon bald die Zinslasten für den Schuldenberg nicht mehr bezahlt werden können und es zu einer schweren Krise kommen muss. Auch „Sparen“ hilft hier nicht weiter, weil eine Unterbrechung der Kreditaufnahme unmittelbar eine Depression zur Folge hätte. Schuldenabbau ist unmöglich in diesem System. Frage an Sie: Kann jemand dauerhaft überleben, dessen Schuldenberg 2,5 mal schneller wächst als sein Einkommen - oder muss nicht der Bankrott die unmittelbare Folge davon sein?“ (Günter Hannich, www.geldcrash.de)

Die Geldschöpfung

Das ist alles Folge der verschleierten Tatsache, dass die Staaten im Kapitalismus das Recht auf Geldschöpfung den Finanzinstitutionen überlassen.

Bei der mit Argusaugen beobachteten Geldmenge handelt es sich nur um Bargeld, nicht aber um Buchgeld, das die Banken in ihre Computer eintragen.

Nehmen wir die Schaffung von Staatsschulden als Beispiel. Die Bundesregierung machte 2003 ungefähr 43 Milliarden EURO Schulden. Unsere gesunde Vorstellung ist, dass die Kapitaleigentümer dem Staat das Geld leihen. Die Staatsanleihen werden gedruckt und verkauft. Doch das System der Buchgeldschöpfung ist genial. Statt vorhandenes Geld zu benutzen, gehen die Banker folgendermaßen vor: Mit der doppelten Buchführung wird auf die linke Seite 43 Milliarden Saldo geschrieben. Auf die rechte Seite 43 Milliarden Guthaben. So einfach ist das. Die (Privat)banken erzeugen so das Geld, das sie dem Staat leihen. Dies ist solchermaßen skandalträchtig, dass es eines der am besten gehüteten und verschleierten Geheimnisse ist.

In den bisherigen Beiträgen gab es zwei Vorschläge, auf die es näher einzugehen gilt:
1) Die völlige Abschaffung des Geldes und des Marktes (Schandl)
2) Die Inflation als Lösung des Wachstums- und des Geldproblems (Boeing und Heusinger)

Zu Schandls Lösungsvorschlag ist anzumerken, dass schon P. J. Proudhon Marx Vorstellung von einer Planwirtschaft kritisierte. Warum scheiterte der Kommunismus? Er setzte auf autoritäre, zentralistische Wirtschaft und schaffte den Markt ab. Die Märkte funktionieren aber im Kapitalismus nur so schlecht, weil übermächtige Konzerne mit Hilfe der Regierungen diese beherrschen. Proudhon sah schon früh das Manko bei Marx: "Nehmt die Konkurrenz weg... und die ihrer Triebkräfte beraubte Gesellschaft wird wie eine Uhr stehen bleiben, deren Feder abgelaufen ist."

Inflation ist keine Lösung

Die Inflation als Dämpfer des exponentiellen Wachstums einzusetzen, ist der verzweifelte Versuch, das Prinzip des Zinses aufrecht zu erhalten. Man sah in der Wirtschaftskrise von 1929 wohin die Inflation führt, zum fast völligen Zusammenbruch des Wirtschaftssystems. Die Inflation schafft eine unkontrollierbare Spirale der Entwertung und Verteuerung. Steigt die Inflation und damit die Preise, werden auch die Zinsen angehoben. Die Kredite werden teurer. Damit müssen wiederum die Preise angepasst werden usw. usf.

Der Zins ist eine Steuer auf das Lebensblut der Gesellschaft. Er ist zudem arbeitsloses Einkommen, denn der Geldbesitzer, der Kapitalist, leistet ja keine Arbeit, sondern stellt nur Kapital zur Verfügung. Das ist der zentrale Punkt, der Kern des Kapitalismus: Damit wird ermöglicht, dass die Akkumulation zu einem Automatismus wird. An dieser Stelle aber ist eine Lösung, ein dritter Weg, möglich.

Ein dritter Weg

Abseits von Marx und dem Neoklassizimus, ganz zu schweigen vom Neoliberalismus, existieren einige andere Analysen, was das "real existierende Geld" im Kapitalismus anrichtet: Das Kapital ist flexibel, der Arbeitsmarkt ist es nicht. Diese Erkenntnis findet sich auch im Neoklassizismus, aber die Konsequenz daraus, die Flexibilität des Kapitals zu reduzieren, seinen ungerechten Vorteil gegenüber Arbeit und Waren aufzuheben, dieser Gedanke scheint tabu.

Der ungerechte Vorteil besteht darin, dass Geld nicht nur Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel ist, sondern seinem Besitzer den sogenannten Liquiditätsvorteil verschafft. Das bedeutet, dass, anders als die Arbeitskraft, die gezwungen ist, sich anzubieten, will der "Eigentümer" derselben nicht verhungern, und Waren, die nur eine begrenzte Lebensdauer besitzen und Lagerkosten verursachen, das Geld eine "Jokerposition" auf dem Markt einnimmt. Unter anderem kann der Geldbesitzer warten, solange er will, bis er günstige Anlegekonditionen erreicht hat. Die Wirtschaft aber wird dadurch gezwungen, Zinsen und Renditen für das benötigte Kapital zu zahlen. Das Resultat ist ein Ungleichgewicht, in dem die Kapitaleigner Zinsen "erpressen" können und diese Kosten auf Arbeitskraft und Waren abgewälzt werden.

Proudhon schlug anstelle des Geldsystems ein Tauschbanksystem vor, in dem – ähnlich wie in den Tauschringen – Waren, Arbeit und Dienstleistungen ohne Geld getauscht werden.

Silvio Gesell sah die Vorteile des Geldes als Tauschmittel, ohne dem viele zivilisatorische Errungenschaften nicht mehr möglich wären, und schlug statt dessen vor, ein sogenanntes Schwundgeld einzuführen. Dies besteht darin, dass das Geld, wie die Brakteatenwährung im Mittelalter, die Zeit dessen Bestehens wird übrigens das goldene Mittelalter genannt, monatlich an Wert verliert. Dies ist ein negativer Zins, der auch Umlaufsicherung genannt wird. Denn mit diesem ist es nicht mehr möglich, das Geld zu horten und zum selbstgewählten Zeitpunkt gewinnbringend zu investieren, sondern es muss ausgegeben werden, soll nicht die Steuer fällig werden.

Einen ähnlichen Vorschlag hat J. M. Keynes bei der Gründung der IWF und Weltbank auf der Bretton-Woods-Konferenz 1944 mit seinem Konzept einer "Internationalen Clearing-Union" unterbreitet. Diese Institution sollte seinem Vorhaben nach den internationalen Handel erleichtern und Verschuldungsproblemen vorbeugen. Keynes wollte als Verrechnungseinheit nicht ein nationales Geld wie heute den Dollar, sondern ein eigenständiges Zahlungsmittel einführen. In diesem Geldsystem sollten die Überziehungskredite wie üblich mit 1 bis 2% verzinst, aber auch die Guthaben mit einer Abgabe in der gleichen Höhe belastet werden, ein negativer Zins. Das Ziel Keynes war es, dass Handelsbilanzüberschüsse immer wieder ausgeglichen werden. Soweit Guthaben entstehen, sollten diese als billige Entwicklungskredite vergeben werden. Auf Druck der US-amerikanischen Großbanken wurde diese Vision aber nicht verwirklicht.

Deutschland und auch fast alle übrigen Staaten gehören den Banken. Es ist Zeit, dass die Bevölkerung wieder die Macht über das Lebensblut, das Geld, zurückerhält.


Bücher:
Silvio Gesell: Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld. 1949
Creutz, Suhr, Onken: Wachstum bis zur Krise? 1986
Hans Weitkamp: Das Hochmittelalter - ein Geschenk des Geldwesens. 1983 / 85
John Maynard Keynes: Vorschläge für die Gründung einer internationalen Clearing-Union. Lettre international 2 / 1988, S. 40 f.
Irving Fisher: Mastering the Crisis, 1934

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