schutz gegen kopierschutz
Stefan Krempl, Berlin, März 2006

Die GNU General Public License, urheberrechtliche Basis fast aller Open- Source-Software, wird überarbeitet. Technische und juristische Probleme, die sich durch Kopierschutzmechanismen und Software-Patente ergeben, sollen abgewehrt werden.

Das Konzept des Computers als universell programmierbare Maschine sei bedroht, sagte Richard Stallman im März auf dem Free and Open Source Software Developers' European Meeting in Brüssel. Stallman, Gründer der Free Software Foundation (FSF) und Vorkämpfer der Open-Source-Bewegung, projizierte vor weit über 1000 Konferenzteilnehmern an der Freien Universität das Bild einer düsteren Zukunft, in der Systeme für das Digital-Rights- Management (DRM) Computeranwender und Programmierer gängeln. Gerade seien Firmen wie Disney, Intel, Microsoft oder Sony daran, mit dem AACS-Kopierschutz für die nächste DVD- Generation das «digitale Restriktionsmanagement der Zukunft» unter die Leute zu bringen.

Eine nicht weniger grosse Gefahr für Softwareprojekte geht laut Stallman von Patenten auf Computerprogrammen aus. Ein kleines Software-Modul könne von zahlreichen Patenten betroffen sein. Die daraus resultierenden Rechtsstreitigkeiten seien für die Entwickler von Gratis- Software nicht finanzierbar.

Wichtigstes Mittel, um solche Gefahren abzuwenden, ist die GNU General Public License (GPL). Vor bald zwei Jahrzehnten hat Stallman mit der GPL einen immaterialgüterrechtlichen Schutzwall aufgebaut, der die ihm aus frühen «Hackerzeiten» geläufigen Rechte zum ungehinderten Abspielen, Verändern, Kopieren und Verteilen von Programmen und deren Quellcode absichern soll. Dabei verlangt das Copyleft-Prinzip, dass alle Änderungen an einer unter der GPL stehenden Software ebenfalls unter den gleichen Lizenzbedingungen weitergegeben werden müssen. So verhinderte Stallman, dass die kollektive Arbeit an einem Programm privatisiert und von einzelnen Firmen verwertet werden kann. Microsoft-Chef Steve Ballmer verglich deshalb die GPL mit einem «Krebsgeschwür». Bedeutung erlangte die GPL nicht zuletzt dank Linus Torvalds, der den von ihm entwickelten Linux-Kernel unter dieser Lizenz publizierte.

Mit dem im Januar vorgestellten Entwurf für die dritte Version der GPL will nun Stallman auf die jüngsten Bedrohungen reagieren. Die GPL3 wird es seinem Ansinnen nach «unmöglich machen, freie Software zu korrumpieren». Viele Befürworter von DRM-Systemen seien dazu übergegangen, den Quellcode ihrer Programme offenzulegen und für Modifikationen freizugeben. Doch könne man damit letztlich nichts anfangen, da nur die von den offiziellen Software-Ausrüstern für kryptographisch signierten und unveränderten Programme auf den kastrierten Rechnern laufen würden. Stallman will DRM-Anbieter beim Einsatz der GPL daher verpflichten, die fürs Signieren und Dechiffrieren der Programme erforderlichen Schlüssel mitzuliefern. In der Begründung zu dem Lizenzentwurf heisst es unmissverständlich: «Unser Ziel muss es sein, DRM als soziale Praxis abzuschaffen.»

Die geplanten Vorkehrungen gegen Software- Patente fallen moderater aus. Zum einen soll ein Vertreiber eines GPL-Programms erstmals explizit dazu verpflichtet werden, für alle von ihm gehaltenen Patentansprüche eine kostenfreie weltweite Lizenz zu erteilen, falls seine Rechte durch die Software verletzt werden könnten. Zum anderen sind GPL-Anwender laut dem Entwurf aufgefordert, die Nutzer ihrer Software vor möglichen Patentklagen auch von dritter Seite aus «abzuschirmen». Allerdings nur dann, wenn sie von vorhandenen Ansprüchen Kenntnis haben. Ferner soll die GPL3 mit anderen Open-Source- Lizenzen wie etwa der für den Apache-Server, die schärfere Klauseln zur Abwehr von Software- Patenten enthalten, für kompatibel erklärt werden. Auch hier gilt eine Einschränkung: Die Abwehrmassnahmen sollen Lizenznehmer, die Software-Patente besitzen, nur dann betreffen, wenn diese auf Basis ihrer Patente Marktteilnehmer verklagen. Wer Patente zur Verteidigung gegen solche Klagen einsetzt, soll nicht mit Strafmassnahmen zu rechnen haben.

Nun ist die Meinung der Betroffenen gefragt, zu denen auch immer mehr kommerziell orientierte Software-Entwickler gehören. Sie können Kommentare zu dem aufwendigen Reformprojekt auf einer Website* abgeben. Mit einer überarbeiteten Variante des Entwurfs rechnet Stallman im Mai oder Juni. Zuvor führt die FSF Mitte April die zweite internationale Konferenz zur GPL3 im brasilianischen Porto Alegre durch. Die Überarbeitung der Lizenz soll im Spätherbst oder Anfang 2007 abgeschlossen sein.
Es gibt aber unter Open-Source-Anhängern auch kritische Stimmen. Linux-Schöpfer Torvalds lehnt die GPL3 ab, weil er private Signierschlüssel auch zur DRM-Verhinderung nicht herausgeben will. Geht es nach ihm, bleibt der Linux- Kernel der GPL2 unterstellt. Sein Kollege Alan Cox zeigt sich dagegen kompromissbereit. Sollte die neue Lizenz im Konsens der Open-Source- Community verabschiedet werden, stehe einer Adaption auch für den Betriebssystem-Kernel nichts im Wege.

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